Einfallsreich, wortgewandt, gut recherchiert kommt der Roman von Tanja Kinkel "Die Puppenspieler" daher. Es macht Spaß das Buch zu lesen, auch wenn es manchmal ein wenig Längen gibt, die jedoch zumeist der Detailtreue geschuldet sind.
Mit der "Bulle" des Papstes Innozenz VIII. beginnt um 1484 die Hexenverfolgung in Deutschland und ein düsteres Kapitel der katholischen Kirche am Ende des Mittelalters (bzw. der Beginnenden "Neuzeit" - wie uns Kinkel beweist). Die Autorin lässt uns diese Zeit vor den Augen erscheinen und demonstriert den Leserinnen und Lesern das Leben, Sterben und das Handeln am Beispiel des heroischen Richard Artzt. Der mußte den Tod seiner Mutter auf dem Scheiterhaufen miterleben und ist von diesem Erlebnis in seinem Tun geprägt (leider manchmal ein wenig sehr unlogisch).
Nach dem Tod der Mutter, wird er in den Haushalt seiner Tante Sybille aufgenommen, die kurz zuvor den Kaufmann Jakob Fugger geehelicht hatte. Damit nimmt die Geschichte des ehemaligen Klosterschülers an Fahrt auf. Die Fugger, zu der Zeit eine der größten Handelshäuser Europas, waren nicht nur durch ihr großes Geschick im Feilschen, ihren Intrigen beim Verleihen von Geld oder Ihre Skupellosigkeit bekannt, sondern auch durch ein Informations- (Spitzel-) wesen, das seine gleichen suchte.
Mit dem Eintritt in das Erwerbsalter wird der junge Richard nach Italien, genauer nach Florenz, gesandt, um das bis dahin gelernte zu vertiefen und dem Informationswesen Jakobs zu dienen. Unweigerlich verknüpft sich sein Schicksal mit dem der dortigen Händlerdynastie, der de'Medici, aber auch mit dem Mädchen Saviya, einer Zigeunerin. Eine wahre Handlungsdichte macht den Roman aus: Das Wesen der italienischen Stadtstaaten, der Einfluß der Kirche, das Papsttum, das Wirken des Adels in den Anrainerstaaten und letzlich der beginnende Einfluß der Pfeffersäcke (Kaufleute), des Bildungsbürgertums, auf die Politik.
Italien wird für den Protagonisten zu einer Abenteuerreise, besonders nach dem er von Jakob Fugger nach Rom gesandt wird. Die Intrigen des dortigen Adels, die Einflüsse der Päpste und deren Umfeld, Bestechung und Mord. Tanja Kinkel lässt den Leser an alledem teilhaben. Auch wenn ein paar Daten der künstlerischen Freiheit zum Opfer fallen, die Autorin gleicht dies durch Detailtreue wieder aus.
Und wenn sie den Freund Richards, den Mönch Mario, zu ihm sagen lässt: "Es ist alles dasselbe, begreifst Du das nicht? Die Hexen. Die Juden. Savonarola. Die Menschen brauchen einen Sündenbock. Gib ihnen jemand, der mit dem Finger auf etwas weist, ein Laster, ein Volk, ein paar unangenehme Frauen und sie werden sich darauf stürzen!", dann ist man geneigt zu denken, ersetze einige Worte mit "Asylanten", "Ausländern" und "Hartz-IV-Empfängern" und die Aussage hat über Jahrhunderte seine Gültigkeit behalten.
Die Taschenbuchausgabe erschien 1995 beim "Goldmann Verlag"
ISBN 3-442-42955-2
Hier bei Amazon und Lesen.de (derzeit nicht vorhanden) zu erhalten.
Das Buch ist im "Begegnungszentrum Pattaya" zur Ausleihe vorhanden.
Die Homepage von Tanja Kinkel.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen